Fasten im Ramadan
Wie soll gefastet werden?
Muslime fasten im Gedenken daran, dass Gott den Koran im Monat Ramadan herab gesandt haben soll (Sure 2,185). Das Ramadan-Fasten dauert täglich von Sonnenaufgang bis zum vollendeten Sonnenuntergang. Essen, Trinken (nach Auffassung mancher Theologen auch das Schlucken des Speichels), Rauchen, Parfüm, Injektionen und Geschlechtsverkehr sind verboten, solange man „einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden“ kann (2,187), aber man soll sich auch von übler Nachrede, Klatsch, Streit und unangemessenem Verhalten fernhalten. Schwangere, Stillende, Reisende, Kranke (2,184) und Kinder sind von der Fastenpflicht ausgenommen und müssen - mit Ausnahme der Kinder - die ihnen fehlenden Fastentage zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, oder aber einen Ersatz als Buße leisten.
Der Koran selbst geht nicht sehr detailliert auf die einzelnen Bestimmungen zum Fasten ein. Erst in den ersten Jahrhunderten nach der Niederschrift des Korans hat die muslimische Rechtswissenschaft die knappen koranischen Bestimmungen über das Fasten näher erläutert und ausgelegt.
Fasten - eine Pflicht
Der Fastenpflicht wird nicht Genüge getan, wenn ein gläubiger Muslim aus frommen Motiven 30 Tage in irgendeiner beliebigen Form auf Nahrung verzichtet, sondern nur wenn alle Vorschriften penibel eingehalten werden, da sonst das Fasten insgesamt ungültig ist und vor Gott nicht gilt.
In der islamischen Welt verläuft das gesamte Leben im Fastenmonat sehr viel langsamer, sozusagen reduziert. Viele Geschäfte sind tagsüber, manche den ganzen Monat über geschlossen. Das gesellschaftliche Leben (insbesondere Besuche und Einladungen) verlagert sich auf den Abend nach Sonnenuntergang und die Nacht, wenn oft besonders gutes Essen für die Familie und Freunde zubereitet wird. Das Fasten wird abends traditionell mit einer ungeraden Anzahl von Datteln und etwas Wasser gebrochen.
Fasten - Besinnung auf Gott
Aber im Ramadan geht es nicht nur um Verzicht auf Nahrung. Das Fasten hat auch einen ‘geistlichen’ Aspekt. Von frommen Muslimen wird der gesamte Koran dann in 30 Abschnitten rezitiert. Im Ramadan werden besondere Gebete gesprochen, und mehr Menschen als sonst besuchen die Moscheen, die oft mit Lampen und Teppichen geschmückt werden. Eine Überlieferung berichtet, dass am ersten Tag des Ramadan die bösen Geister und der Teufel gefangengesetzt werden, die Tore der Hölle geschlossen und die Paradiespforten geöffnet werden. Der Ramadan ist damit auch ein Monat der Hoffnung auf geistliche Segnungen, auf Überwindung des Bösen und oft auch der Versöhnung zwischen Zerstrittenen.
Fasten - jedem möglich?
Trotz aller Frömmigkeit ist es sicher für viele Muslime sehr schwierig, der 30tägigen Fastenpflicht jedes Jahr aufs neue in vollem Umfang nachzukommen. Wer seiner Fastenpflicht nicht als Ganzes nachkommt, versucht meist, wenigstens die letzten zehn Tage zu fasten. Das Ramadanfasten ist ein gutes Werk, das der Mensch für Gott erbringt und das am Gerichtstag gegen seine schlechten Taten aufgewogen werden wird.
In der westlichen Welt wird das Fasten oft auch von Muslimen eingehalten, die in ihren Heimatländern nicht fasten, um so auch ein Stück kulturelle Identität zu bewahren. Im Westen wird das Fasten oft zusätzlich durch die Lebensumstände erschwert, wenn vom Arbeits- und Lebensrhythmus her keine Rücksicht auf das Fasten genommen wird oder in einigen Ländern eine sehr lange Tageshelle - und damit eine sehr lange Fastenzeit - besteht.
Das Fest des Fastenbrechens
Das Ramadan-Fasten endet mit dem Fest des Fastenbrechens. Das Feiern dieses Festes ist keine religiöse Pflicht; es gilt jedoch als verdienstvoll. Wenn am Ende des Ramadan von den religiösen Autoritäten eines Landes die Neumondsichel gesichtet wird, bezeichnet das das offizielle Ende des Ramadan. Der Tag des Fastenbrechens hat im Volksglauben auch einen Heilsaspekt, denn an diesem Tag vergibt Allah den Gläubigen und schenkt ihnen seinen Segen. Verwandtenbesuche, neue Kleider, Geschenke für die Kinder und besondere Speisen gehören zu diesem Fest. Viele Muslime besuchen auch die Gräber von Verwandten und bringen den Grabwächtern und den Armen, die in vielen Städten bei den Gräbern wohnen, Geschenke mit. In Kairo soll zur Linderung der Qualen der Toten Wasser über die Gräber gegossen, der Koran rezitiert und Fürbitte für die Toten geleistet werden. Wer nach dem dreitägigen Fest des Fastenbrechens nochmals fastet, tut damit ein besonders verdienstvolles Werk.
Das Bußfasten
Bußfasten dient als Ersatz für eine versäumte religiöse Pflicht oder kann auch als Strafe für eine bestimmte Sünde befolgt werden, wie z. B. für einen gebrochenen Eid oder für die unbeabsichtigte Tötung eines Menschen. Bußfasten ist wiederum ein Werk, das der Mensch von sich aus Gott erbringen muss, um Vergebung zu erhalten.
Die Nacht der Macht - laylat al-qadr
Muslime glauben, dass der Koran in einer der letzten zehn Nächte des Ramadan, in der „Nacht der Macht“ herabgesandt wurde (Sure 2,185). Eine Überlieferung besagt, dass eine Nacht des Ramadan besser sei als tausend Monate, denn in ihr öffnen sich die Himmelstore und die Engel steigen herab (Sure 97). Wer im Ramadan in Mekka fastet und betet - so eine weitere Überlieferung - der erhält von Gott soviel Sündenvergebung wie durch das Einhalten von 100.000 Monaten Ramadanfasten.
Welche Nacht genau die „Nacht der Macht“ ist, dazu gibt es unterschiedliche Überlieferungen und Anschauungen. Muslimen erscheinen die ungeraden Zahlen wahrscheinlicher, insbesondere die ungeraden Zahlen der letzten zehn Tage des Ramadan. Eine Überlieferung von Aischa, Muhammads Lieblingsfrau, berichtet, dass Muhammad die letzten zehn Nächte des Ramadan gewacht und gebetet habe. Deshalb verbringen manche Muslime diese zehn Tage in der Moschee. Andere gehen in diesen zehn Tagen nicht zur Arbeit und die Schulen schließen. Einige Überlieferungen nennen die 21. Nacht des Ramadan als „Nacht der Macht“, andere die 17. oder 27. Nacht. Als am wahrscheinlichsten für den Zeitpunkt der Koranoffenbarung wird jedoch die Nacht vom 26. auf den 27. Ramadan betrachtet.
Manche Überlieferungen bezeichnen die zweite Hälfte der Nachtstunden der Ramadannächte als die, die Gott „näher“ seien als die ersten. Nach Abu Huraira soll Gott im letzten Drittel der Ramadannächte (vom Himmel?) herabsteigen und dem Sündenvergebung bis zum Sonnenaufgang anbieten, der sie sucht, so dass die Prophetengefährten stets im letzten Drittel der Nacht ihre Gebete verrichtet hätten.
Die „Nacht der Macht“ ist nach muslimischer Auffassung in besonderer Weise von Licht und von Segenskraft erfüllt. Viele Muslime erhoffen, in dieser Nacht ein Licht zu sehen, vergleichbar dem Licht, das damals die Herabsendung des Korans angezeigt haben soll.
Die Überlieferung berichtet, dass ein Muslim, der aus Glauben in der Nacht des Ramadan betet und das Wohlgefallen Gottes sucht, mit der Sündenvergebung Gottes rechnen kann. So ist der Ramadan und besonders die „Nacht der Macht“ eine Zeit des Verzichts, der Besinnung auf Gott, der Hoffnung auf Sündenvergebung und der Offenheit für eine Begegnung mit Gott.
Eine jährlich einzuhaltende ungefähr 30tägige Fastenpflicht ist eine harte Bürde, an der vielleicht jeder einmal in seinem Leben scheitern wird. Diese Pflicht einzuhalten ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie mit entscheidet über Heil und Unheil, gleichzeitig dieses Maß an Heilserwerb aber ungewiss bleibt bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Möge Gott vielen Muslimen persönlich begegnen, damit sie erkennen, dass „sein Joch sanft und seine Last leicht“ ist (Matthäus 11,30) und dass allein Jesus Christus Frieden und Gewissheit in Glauben und Vergebung schenken kann.
Dr. Christine Schirrmacher